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Freitag, 4. Februar 2005

Die Unreife der Reifen

Was passiert wenn man über sein Baby schreibt, wenn man süchtig danach ist sich mitzuteilen und vergisst das die Kinder erwachsen werden oder das geschriebene auf einmal selbst für jemand beinlich wird.
Kann es sein das durch das verstreichen der ZEIT ein üblicher Beitrag zur verlust der Privatsphäre der Beschriebenen führt.

»Das Webloggen sei ein Signal an die Außenwelt: „Hey, ich habe vielleicht jetzt ein Kind, aber ich bin auch immer noch da.”«
Frustabbau im Netz, Faz.net
http://www.faz.net/s/RubF7538E273FAA4006925CC36BB8AFE338/Doc~EFB65F18802744AE1B182841AE1F68D82~ATpl~Ecommon~Scontent.html



Auch Gefahren drohen, das ist ja scheinbar immer so, wenn es ums Bloggen geht: »Mancher Weblog-Schreiber mag schon derart süchtig geworden sein danach, in aller Öffentlichkeit aus dem Leben seines Kindes zu plaudern, daß er auch dann nicht darauf verzichten mag, wenn der oder die Kleine längst zur Schule geht und selbst zu schreiben vermag.« Suchtgefahr also und dann noch das Risiko, die Privatsphäre der be-baby-bloggten Kinder nicht ausreichend zu respektieren. (Die könnten dann ja später zurückbloggen, wenn das überhaupt jemand lesen will, steht in dem Text.)

Es ist schon wirklich ein Dschungel hier draußen in der Blogosphäre.

Gesehen bei:
http://www.notizblog.de/comments/5069_0_4_0_C/

Immer frisch und saftig in Weblogs

Eindringlich und unmittelbar

Es schildern hunderte Augenzeugen ihre Erlebnisse im Internet, stellen Bilder ins Netz, berichten in Weblogs von dem, was in Südasien passiert ist. Unmittelbar, eindringlich und schonungslos offen sind ihre Berichte. Nach der verheerenden Flutkatastrophe ist das Web nicht nur Rettungsanker bei der verzweifelten Suche nach Vermissten - hier beschreiben Menschen, wie sie ganz persönlich das Unglück erlebt haben.


Mehr auf:
http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/19/0,3672,2244947,00.html

Zukunft der Selbstdarstellung

Hat die Selbstveröffentlichung keine Grenzen im Internet? Sie hat definitiv Grenzen und bei den meisten Bloggern und Diaristen liegt diese Schwelle bei dem Verfassen eines Weblogs oder eines Internet-Tagebuchs. Es hat sich gezeigt, dass die Netz-Aktiven eher für sich selbst schreiben, als für ein imaginäres Publikum. Eine geschönte Selbstdarstellung ist weder im Interesse der Blogger und Diaristen, noch im Interesse der Rezipienten, die besonders die Authentizität dieser Publikationen schätzen. Gleichwohl kann man besonders die Tagebuchschreiber, nicht ganz von dem Exhibitionismus-Vorwurf befreien. Wer sein Leben in dieser Art und Weise veröffentlicht, wird sich damit abfinden müssen, dass ein Gros der Öffentlichkeit bei dem Begriff Online-Diary zunächst an Exhibitionismus und Narzissmus denkt. Die Glaubwürdigkeit solcher persönlichen Formate, stellt ein Großteil der Netz-Community nicht in Frage. Eine Leichtgläubigkeit, die Betrugs- und
Manipulationsmöglichkeiten Tür und Tor öffnen. Wie die Gerüchteverbreitung, im Zusammenhang mit den Terror-Anschlägen auf die USA, gezeigt hat, gelangen Falschmeldungen und Verschwörungstheorien via Internet in die ganze Welt. Einmal veröffentlicht, ist es relativ schwer, den Glauben an den Wahrheitsgehalt der Gerüchte einzudämmen. Ein Stück Unglauben bzw. Skeptizismus, den Verschwörungstheorien evozieren, bleibt in den Köpfen vieler Menschen zurück. Damit wird allgemein die Glaubwürdigkeit eines gesamten Mediums und speziell die Glaubwürdigkeit des Online-Journalismus in Frage gestellt. Um einen weiteren Qualitätsverlust im Internet zu verhindern, braucht es mehr gewissenhafte Nachrichtenverbreiter und Veröffentlicher und weniger leichtgläubige Web-Leser.
Die Entwicklung im Netz schreitet unterdessen weiter voran. Eine Kommerzialisierung der
Online-Tagebücher, ist v.a. seit Natacha Merritts Doku-Soap über ihr Intimleben (http://www.digitaldiaries.com), die mittlerweile auch als Buch erhältlich ist, nicht mehr aufzuhalten. Zudem gibt es bereits eine „Tagebuch-Soap“ (http://www.diary.de): Eine zusammengecastete Gruppe von möglichst attraktiven Menschen, schreibt über ihr Leben, um über ihre Online-Diaries zu Medienstars zu werden. Hierbei handelt es sich um nichts
anderes, als eine Daily-Soap in Tagebuch-Form. Der Authentizitätsfaktor scheint hier unbekannt zu sein.
Bei den Weblogs zeichnet sich eine andere Entwicklung ab: Die Vielzahl
der Weblogs hat dazu geführt, dass mittlerweile eine Suchmaschine entwickelt wurde die die besten Links aller Weblogs sucht und dann listet. „Blogdex“, so heißt diese Suchmaschine, patrouilliert regelmäßig das Netz und kontrolliert welche Internet-Adressen in der Weblog-Welt am häufigsten besprochen und verlinkt werden. Die Suchergebnisse ergeben eine täglich aktualisierte Top-10-Liste der beliebtesten Links. Damit ist Blogdex gewissermaßen eine Linksammlung der Linksammlung.
Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der Tagebücher und Weblogs in der nächsten Zeit noch weiter ansteigen wird, v.a. wenn die Zugangsvorrausetzungen weiter vereinfacht werden.
Eine Errungenschaft der neuen Kommunikationsformen im Netz ist die, dass die Entscheidungsfreiheit darüber, was und wie es veröffentlicht wird jetzt wieder bei den Usern liegt (im Gegensatz zu TV-Formaten). Die Diaristen und Blogger sind sozusagen die Programmdirektoren ihres eigenen Lebens. Zudem haben die Netz-Aktiven jederzeit die Möglichkeit nicht zu senden. Wer nicht beobachtet werden will, lässt den Computer einfach aus.
Auf der Seite der Rezipienten gilt: Es ist niemand gezwungen Online-Diaries und Weblogs zu benutzen. Wen es nicht interessiert, der wird solche Sites nicht ansteuern. Für andere können gerade Weblogs, ein versierter Führer durch den „Informationsdschungel“ Internet sein.
Das Abendland hat, auch nach Daily Talks und Big Brother, nicht aufgehört zu existieren. Es wird auch Online-Diaries und Weblogs verkraften.

Weblogs als Journalismus

Ich gehe davon aus, dass Weblogs keine neue Form von Journalismus sind. Zumindest scheinen es die Blogger und Diaristen so zu sehen. Sie haben sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen, dass Weblogs keine Konkurrenz zu traditionellen journalistischen Formaten sind und sie sich selbst auch gar nicht als Journalisten verstehen. Insbesondere deshalb, weil sie Nachrichten und Meldungen hauptsächlich in Form von kommentierten Links anbieten. Häufig beziehen sie sich auch gar nicht auf aktuelle Themengebiete, sondern widmen sich nur einem Spezialthema. Genau hier liegt das Außergewöhnliche an Weblogs, was die Medienlandschaft verändern könnte. Sie bieten keine eigenen Nachrichten an, aber durch die Hypertext-Struktur des Internet, sind sämtliche, verlinkte Texte von journalistischen o.a. Quellen von einem Weblog aus erreichbar.
Das bedeutet, ein Weblog kann eine Basis des Users im Netz werden, von der aus
er sich ins World Wide Web begibt. Weblogs produzieren zwar selten eigene Nachrichten,
aber sie können zu einem wichtigen Ver- oder besser Übermittler von Nachrichten werden.
Die enge Verknüpfung untereinander und die hohe Linkzahl, sind ein großer Vorteil, den
Weblogs noch gegenüber herkömmlichen Medien haben.
Es gibt allerdings auch Weblogs, die von Journalisten betrieben werden, auf denen durchaus journalistische Textsorten zu finden sind. Das verleitet manchen dazu, in Weblogs eine neue Medienrevolution zu sehen.


Wenn im Internet wirklich jeder zum potentiellen Sender werden kann und sich jeder seine
Informationen selbst aus dem Netz holen kann, bleibt die Frage, was aus der Gatekeeper-
Rolle der Journalisten wird.

Nach solchen Thesen fällt die Filterfunktion der Journalisten komplett aus. Jeder entscheidet im Netz für sich selbst, welche Nachricht er rezipiert und welchen Quellen er traut. Die Möglichkeit, dass es so kommen könnte ist durchaus da. Dass es sich aber tatsächlich so entwickelt, scheint derzeit eher unwahrscheinlich. Das Gatekeeper-Monopol wird nicht einfach so verschwinden. Gerade im Internet, sind Filterinstanzen notwendig, will man nicht von der Informationsfülle erschlagen werden. Die selektierte Information, die Umsetzung nur quantitativer Informationsmengen in nutzbares, orientierendes Wissen, gewinnt gerade in der Internet-Gesellschaft an Bedeutung (vgl. Altmeppen 1998, S.197). Ein weiterer Hinweis auf den Fortbestand der Schleusenwärter-Funktion für Journalisten, liegt in der hohen Nutzerzahl von journalistischen Angeboten im Netz. Die Homepages der großen überregionalen Zeitungen (sueddeutsche.de, faz.de, zeit.de, bild.de, etc.), die Online-Versionen der beiden großen Nachrichtenmagazine SPIEGEL und FOCUS und die Web-Sites der öffentlichrechtlichen Sendeanstalten gehören zu den meistbesuchten Internetangeboten.
Wer sich für Nachrichten interessiert, greift also auch im Netz auf die Kompetenz der traditionellen Medien zurück.
Dennoch können Journalisten von Weblogs und von deren Aufbereitungsart, etwas für ihre
Arbeit im Online-Journalismus lernen: Zu allererst sollte man die Verinnerlichung der
Hypertextstruktur des WWW nennen. Das Verlinken verschiedener Sites ist im Netz
unerlässlich, weil es ein großer Vorteil des Internet gegenüber traditionellen Medientypen ist.
Fast ebenso wichtig ist es im Online-Journalismus mit der großen Vielfalt der Quellen richtig um zu gehen. Auch hier können Journalisten von den Erfahrungen der Blogger profitieren. Ob allerdings tatsächlich ein neuer Weblog-Journalismus entsteht ist derzeit nicht vorhersehbar.
Es gibt gewisse Trends, z.B. den Open-Source-Journalismus (OSJ), die als neue Formen des Journalismus genannt werden (vgl. Rötzer 1999). Dieser OSJ hat weblogspezifische
Eigenschaften, weshalb er im Zusammenhang mit Weblogs erwähnt wird.

Das Prinzip des OSJ funktioniert folgendermaßen: Auf eine Web-Site wird ein Artikel gestellt, mit der Bitte an die User um Kritik und Verbesserungsvorschläge. Die Vorschläge der User werden dann verarbeitet und ein „Artikel 2.0“ erscheint als Folgeversion.
Der Begriff „Open Source“ stammt aus dem Softwaresektor: Dort steht Open Source für Programme, die im offenen Quellcode vorliegen, die also jeder, der sich damit auskennt, auf Funktionen und Qualität prüfen kann (vgl. Rötzer 1999). Die Mängel eines solchen Journalismus sind offensichtlich:
zu aufwändig, zu zeitintensiv und bei aktuellen Berichten schlicht und ergreifend
unpraktikabel.
Letztlich wird man noch auf lange Sicht nicht an dem traditionellen Qualitätsjournalismus
vorbeikommen, wenn man verlässliche Informationen schätzt.

Als Quellen für die traditionellen Medien und als Zusatzquellen für den Internet-Surfer
werden sie vielleicht interessanter, aber sie werden kein adäquater Ersatz für die
Nachrichtenvermittlungs-Kompetenz der Medien werden.

der Journalismus im Internet - eine neue Chance oder Gefahr

Da bei Weblogs möglicherweise neue publizistische Genres entstehen, hat diese Entwicklung gleichfalls Konsequenzen für das gesellschaftliche Subsystem „Journalismus“. In welcher Art und Weise, soll im Folgenden erläutert werden. Genauso wie es Gefahren für die Qualität im Journalismus gibt, existieren auch Chancen für den Journalismus im Internet, die es so vorher nicht gab.
Die Auffassungen gehen hier oft weit auseinander: Von euphorischen
Beschreibungen, wie der des französischen Philosophen Pierre Levy:

Im Zeitalter der elektronischen Medien, so Levy
„verwirklicht sich die Gleichheit durch die Möglichkeit jedes einzelnen, zum Sender für alle zu werden.
Die Freiheit objektiviert sich in verschlüsselten Programmen und im alle nationalen Grenzen überschreitenden Zugang zu den vielen virtuellen Gemeinschaften. Die Brüderlichkeit kommt schließlich durch den weltweiten Zusammenhang zur Geltung“ (Levy 1996, S.69)
Die Journalisten drohen ihr Monopol als Schleusenwärter sozialer Kommunikationsprozesse zu verlieren (vgl. Weischenberg 1998, S.44), da sich jeder seine Informationen selbst organisieren kann und er nicht mehr unbedingt auf die Selektionsleistungen von Journalisten angewiesen ist. Inwiefern diese Wirklichkeitsbeschreibung zutrifft, soll nun veranschaulicht werden.

In wieweit sind Beiträge im Internet glaubwürdig?

Will man die Frage nach einem möglichen Qualitätsverlust im Journalismus beantworten,
sollte man zunächst klären, wie Qualität im Journalismus zu definieren ist. Allgemein
beschreibt die International Standards Organization (ISO), Qualität als „Gesamtheit von
Merkmalen einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte
Erfordernisse zu erfüllen“ (Kaiser 2000, S.13). Darunter lassen sich im Journalismus die
gesellschaftlichen Anforderungen (Aufgabe der Information, Kritik, Kontrolle, etc.),
berufsethische Anforderungen (die vornehmlich im Pressekodex festgeschrieben sind) und
verschiedene professionelle journalistische Standards (Aktualität, Vielfalt und Vollständigkeit der Meinungen, kompetente Vermittlung, etc.), subsumieren (vgl. Kaiser 2000, S.13).
Darüber hinaus bleiben jedoch viele Details (objektive versus subjektive Sichtweise,
Schnelligkeit versus Gründlichkeit, etc.) umstritten und werden „je nach Medium, Ressort
oder auch Stilform unterschiedlich gewertet“ (Kaiser 2000, S.13). Schon dieser kurze Exkurs zur Qualitätsbeschreibung, offenbart wie schwierig es ist, den Begriff Qualität im
Journalismus konkret zu definieren.
Gerade auch durch das Internet, werden Qualitätsfragen immer wieder auf die Agenda des
Journalismus und der Journalistik gesetzt. Denn die Qualität der Berichterstattung ist im
Internet durch die Schnelligkeit des Mediums bedroht.

Vor dem Trend, Berichterstattung nach dem Prinzip des „trial and error“ zu betreiben, müsste man
ausdrücklich warnen. Wenn der Journalismus Regelverstöße in Kauf nimmt, um dann notfalls
zurückzurudern, setzt er jedes Mal seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel. (Weischenberg 2000, S.7)

Geschwindigkeit und Wettbewerbsdruck machen es zwar nicht nur Online-Journalisten häufig schwer gewisse Standards einzuhalten, aber in keinem anderen Medium ist es so leicht Fehler zu beheben. Schließlich kann man seinen Artikel jederzeit „updaten“, und als Artikel 2.0, 3.0, usw., neu publizieren. Daraus droht sich eine Berufsauffassung zu entwickeln, die das schnelle Veröffentlichen, der gründlichen Recherche vorzieht und damit die Glaubwürdigkeit des Journalismus torpediert. Die Folgen davon beschreibt die ARD-/ZDF-Offline- Studie: Die Gruppe derjenigen, die die Informationen im Internet für nicht glaubwürdig hält, ist innerhalb eines Jahres um vier Prozentpunkte auf insgesamt 26 Prozent angestiegen (vgl. Grajczyk/Mende 2001, S.402).

Wie weit darf man sich Veröffentlichen

Wer sich so exponiert zur Schau stellt, wie Blogger im Netz, der wird generell
eine eher niedrige Hemmschwelle bezüglich weiterer Selbstveröffentlichungsmöglichkeiten
(Webcams, etc.) haben. So lautete die Vermutung.
Um so überraschender waren die ermittelten Ergebnisse: Fast 50 Prozent (48,4%) der Antworten entfiel auf „Beteiligung an Diskussionsforen, Weblogs, MUD´s (= Multi User
virtuelle Rollenspiele) etc.“. Dies bedeutet, dass über die Hälfte der User bereits dort ihre
persönliche Selbstveröffentlichungsgrenze zieht.
Etwa 40 Prozent (38,7%) fanden es noch akzeptabel, ein Online-Tagebuch zu führen. Alles was, darüber hinaus ging, war für die wenigsten Befragten interessant: Lediglich 12,9 Prozent der Gesamtstimmen erklärten, dass sie sich auch per Webcam beobachten lassen würden.
Mehrere Webcams á la Big Brother wurden komplett abgelehnt. Die Resultate beweisen eindeutig, dass die Hemmschwelle der Selbstveröffentlichung gar nicht so niedrig ist. Im Grunde will niemand seine Präsenz im Netz weiter ausbauen. Die User wollen sich nicht bei ihrem Leben beobachten lassen. Wieder ein Hinweis darauf, dass der Exhibitionismus-Vorwurf nicht allzu treffend ist. Auch die im Netz präsenten Blogger sehen ihr Online-Leben nur als einen Teil ihres realen Leben:
Live-Übertragungen aus dem heimischen Wohnzimmer sind für die meisten tabu.
Eines wird jetzt besonders auffällig: Je weiter die Veröffentlichung des Ich geht, umso weniger Zustimmung findet sich selbst in den Reihen von „Internet-Profis“.
Das bedeutet: Es ist keine durchgängige Exhibitionismus-Neigung unter Bloggern festzustellen.
Es gibt auch für sie Grenzen und die wollen sie gewahrt wissen.

Vom schreiben und lesen in Weblogs

Auf die Frage nach dem Warum ergibt sich zunächst eine eher banale Erkenntnis: 75% der Befragten gaben hier das allgemeine Interesse am Internet an. Dies war
die in diesem Zusammenhang meist genannte Antwort. Interessanter wird es, wenn man sieht, welche Angaben auf den weiteren Plätzen folgen: Jeweils 60% (Summen über 100% ergeben sich daher, das Mehrfachnennungen möglich waren) der Befragten stimmten hierbei für „damit ich bestimmte Sachen nicht vergesse“ und „weil es mir hilft Erlebnisse zu verarbeiten“. Diese Aussage ist in der Tat überraschend, weil es bedeutet, dass die Netz-
Veröffentlicher, in aller erster Linie für sich schreiben und nicht für andere. Bereits hier
verliert die Exhibitionismus-These an Griffigkeit. Es geht scheinbar gar nicht darum, sich in ein besonderes Licht zu stellen, sondern viel eher darum, sich mit seinem Leben zu
arrangieren.

Natürlich kann ich auch über mich reden - aber nicht, wenn es um meine Gefühle geht. Nein. Damit stehe ich grundsätzlich alleine da. Also schreibe ich hier um mich mit mir selbst auseinander zu setzen.
Dazu passt, dass die Antwortmöglichkeit „gute Selbstdarstellungsmöglichkeit“, den vorletzten Platz in dem Motiv-Ranking der User eingenommen hat. Noch unwichtiger ist den Internetlern nur der Grund, seinen Schreibstil durch das tägliche Publizieren zu verbessern:
Nur 30% der Befragten stimmten hier zu. Relativ weit oben steht noch der Aspekt der
Kommunikation mit anderen: 55% entschieden, dass dies ein wichtiger Grund sei, im Netz zu schreiben.
Das Internet wird als Kommunikationskanal sehr ernst genommen und gerne
genutzt. Der individualisierten Internet-Rezeption am eigenen PC, steht das Knüpfen neuer
Bindungen im Netz komplementär gegenüber: Individualsierung und neue
Vergemeinschaftung heben sich offensichtlich gegenseitig auf.

Die Ergebnisse einer Umfrage des Tagebuch-Portals mytagebuch.de, bestätigen die hier
emittelten Resultate: bei über 65% der Befragten, gelten die Verarbeitung von Gefühlen und das Festhalten von Erlebnissen als Hauptmotivation für Netzveröffentlichungen.

Nicola Döring (2001b, S.89f.) hat fünf Funktionen des Online-Tagebuchschreibens ermittelt: Archiv-, Ventil-, Reflexions-, Sozial- und Übungsfunktion.

Diese Funktionen gelten zwar grundsätzlich für jedes Tagebuchschreiben, aber gerade im Internet, seien diese Funktionen die wichtigsten Motive der User. Das Internet etabliert sich als Ventil für den gesamten Frust und Weltschmerz der virtuellen Surfer.

Die hier ermittelten Befunde zeigen jedenfalls, dass Archiv- und Reflexionsfunktion, ganz
oben auf der Liste der Blogger stehen.
Darüber hinaus gibt es sicher noch andere Motive einen Weblog oder ein Tagebuch zu führen, z.B. gibt es relativ viele Journalisten, die sich im Netz per Weblog präsentieren und es ausnutzen jenseits von Blattlinien und Redaktionszwängen zu publizieren.

Umfrage unter Bloggern

Um bei der Frage nach den Motiven der Blogger und Tagebuchschreiber für ihre
Veröffentlichungen im Netz nicht bei den oberflächlichen Exhibitionismus-Vorwürfen zu
verharren, wurde ein Fragebogen entwickelt, der über die Beweggründe im Internet zu
publizieren und gleichfalls über die Einschätzungen der Netzgemeinde hinsichtlich der
Glaubwürdigkeit „ihres“ Mediums aufklären soll. Darüber hinaus sollte dieser Fragenkatalog mögliche, persönliche Grenzverläufe der Selbstdarstellung von Usern im Netz skizzieren.
Grenzen gibt es ebenfalls zu journalistischen Formaten. Wie die Internetler diese Beziehung zum Journalismus sehen. Die Befragung wurde per E-Mail durchgeführt: 22
zufällig ausgewählten Bloggern habe ich den Fragebogen übermittelt, mit der
Bitte ihn zu beantworten und, falls möglich auch auf die jeweilige Web-Site zu stellen. Von
diesen 22 Bögen kamen 20 beantwortet zurück: Eine Rücklaufquote von fast 91%. Die
Untersuchung lief elf Tage lang, d.h. so lange war der Katalog auf den verschiedensten
Homepages online abrufbar. Da im Rahmen dieser Arbeit keine repräsentative Studie geleistet werden konnte, werden die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, von größeren
Untersuchungen (vgl. Döring 2001a, Höflich/Gebhardt 2001, Vogelsang 2000, etc.)
untermauert oder ihnen gegebenenfalls gegenübergestellt.

Von den Grenzen der Veröffentlichung

Gibt es im Internet noch Grenzen, zwischen Veröffentlichbarem und Nicht-
Veröffentlichbarem? Der Tagebucheintrag vom Anfang lässt keinen Zweifel daran, dass
solche Schranken dort nicht mehr existieren. Jeder, der über einen Internetzugang verfügt,
kann sich im Netz ausbreiten und dort alles veröffentlichen, was er will (abgesehen von
rechtsradikalen und pornografischen Inhalten, und selbst da ist die rechtliche Situation im
Internet sehr diffus). Tagebücher werden öffentlich geführt, es finden sich Reise- und
Erlebnisberichte, Ultraschallbilder des Nachwuchses, neben den Fotos der eigenen Hochzeit.

Haben Weblogs was mit Exhibitionismus zu tun?

Tagebuchschreiben ist Gewöhnlicherweise eine sehr intime Sache: Dort formuliert man seine privatesten und persönlichsten Auffassungen, Einstellungen und Gedanken. Was in diesem Buch geschrieben steht, ist im Grunde nur für den Verfasser gedacht; damit dies auch so bleibt, sucht man sich jede Woche ein neues Versteck dafür und sichert seine gesammelten Werke mit einem Schloss, vor neugierigen Augen. Solche Vorstellungen sind seit der Existenz von Online-Tagebüchern obsolet geworden. Seither gilt das Motto: Jeder soll sehen, wie gut, respektive wie schlecht, es mir gerade geht. „An meinem Wesen soll die Welt genesen“, scheint die Faustregel Weblogger zu sein.
Aber inwieweit greifen Exhibitionismus-Vorwürfe dieser Art? Unter Umständen wird man dem hier diskutierten Phänomen gar nicht gerecht, mit solchen unbewiesenen Unterstellungen.
Zu bedenken gilt natürlich, dass diese Beweihräucherung des Ich, keine Erfindung des
Internet-Zeitalters ist. Das Fernsehen hat dem Ich schon lange vorher auf den Thron geholfen:
Die täglichen Talkshows und „Real-People-Formate“ á la Big Brother haben die Fahnen der Individualisierung hochgehalten. Sind die neuen Online-Kommunikationsformen also
letztlich nichts weiter als eine Fortführung des Fernsehtrends mit anderen Mitteln?
Dies wird sich im weiteren noch zu erweisen haben. Der Begriff der Individualisierung ist für all diese Phänomene von zentraler Bedeutung.
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